Aufgedeckt: Herbstlohnrunden gibt es nicht!
18. Oktober 2012 | Von Michael Schiebel | Kategorie: PolitikWien – „Es ist alles nur eine große Show“, das geben Vertreter des Gewerkschaftsbundes und der Wirtschaftskammer nun erstmals zu. Ins Rollen kam die Sache durch die Indiskretionen eines ehemaligen Insiders, der gegenüber Medien offenlegte, dass die alljährlichen Verhandlungsrituale gar nicht wirklich stattfänden. Ergebnisse und Choreographie der Verhandlungen würden im Vorfeld von den Sozialpartnern festgelegt. „Damit die Geschichte aber für unsere Mitglieder spannender wird, und damit wir hinterher erklären können, warum nicht mehr drin war, brauchen wir ein wenig mediales Gepolter“, erklärt ein hochrangiger Gewerkschafter hinter vorgehaltener Hand.
In der Realität folge die Festlegung der Tarife ganz anderen Regeln. „Das läuft heutzutage alles per e-Mail“, wird ein Metaller zitiert. „Heuer hat mich die Arbeitgeberseite im Sommer zwar einmal zum Heurigen eingeladen. Da haben wir aber vor allem über Tennis geredet“, gibt ein Mitglied des Verhandlungsteams der Gewerkschaft der Privatangestellten zu. Tatsächlich folgen die Lohnabschlüsse einem fix vereinbarten Vierjahres-Rhythmus: im ersten Jahr 0,2 Prozentpunkte über der Inflationsrate, im nächsten 0,1 Prozent darunter, im dritten Jahr doppelte Inflationsrate – also hoher Abschluss – und im vierten Jahr exakt auf Höhe der Inflationsrate. Dann beginnt der nächste Vierjahres-Turnus.
„Im Sommer legen wir per E-Mail fest, wie lange wir verhandeln, wer was wann in den Medien sagt und ob wir gegebenenfalls ein bisserl warnstreiken – oder so“, schildert ein Kenner der Prozesse. Außerdem würden noch die jeweiligen Argumente – wie Weltwirtschaftskrisen oder hohe Gewinne in der Branche – abgestimmt. Natürlich müsse man sich dann während der Verhandlungen schon auch zum Schein treffen, weil man ja unter medialer Beobachtung stehe. „Meist gibt’s dann auch ein Glaserl Wein und wir nehmen dann irgendeinen Hinterausgang“, verrät ein langjähriger Verhandler der Wirtschaftskammer. Zum festgelegten Zeitpunkt verkünde man dann seinen Mitgliedern via Medien das Ergebnis. „Dabei machen sich natürlich eine schöne Nachtsitzung und gerötete Augen nicht schlecht“, räumt der Kämmerer ein. Das sei aber nicht jedes Jahr notwendig.
Für salamiNEWS exklusiv aber nur scheinbar von der ersten Verhandlungsrunde für den Handelskollektivvertrag: Michael Schiebel
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Originally posted 2011-10-20 14:51:59.