Strasser im Interview: „Ich bin nicht extrem korrupt“
1. Juli 2012 | Von Michael Schiebel | Kategorie: PolitikWien, St. Pölten – Ex-Innenminister und Europaabgeordneter Ernst Strasser (ÖVP) soll nicht nur in seinem damaligen Ministerium das Personal mit harter Hand politisch umgefärbt haben, sondern betätigte sich auch außerhalb seiner unmittelbaren Einflusssphäre als Förderer junger Talente. „Ein bisschen Dankbarkeit dürfe man dafür schon verlangen“, meint der Innenminister im salamiNEWS -Interview.
salamiNEWS: Herr Abgeordneter, Sie stehen im Ruf, immer schon eine der Speerspitzen konsequenter ÖVP-Personalpolitik gewesen zu sein. In einem freundschaftlichen e-Mail an den „lieben Ernst“ schreibt ihnen der heutige Finanzdirektor des ORF Richard Grasl etwa sechs Stunden und vierunddreißig Minuten nach seiner Bestellung zum Chefredakteur des Landesstudios Niederösterreich am 8. März 2003, er wisse zwar „offiziell“ nicht, ob Sie „ihre Finger im Spiel hatten“, aber er danke Ihnen jedenfalls für die bisherige Unterstützung. Finden Sie diesen Vorgang in Ordnung?
Strasser: Nein, ich bin der Meinung, in so einem Fall hätte man auch anrufen können – und das vielleicht unmittelbar nach der Bestellung, jedenfalls aber nach Ende der Sitzung. Aber Schwamm drüber.
salamiNEWS: Herr Abgeordneter, da haben wir uns jetzt missverstanden. Halten Sie solche Interventionen mit der Idee vom unabhängigen Journalismus für vereinbar?
Strasser: Ach so! Ja klar ist das vereinbar. Der Herr Grasl ist objektiv betrachtet ein großartiger Redakteur. Dem sein Talent habe ich schon damals als einer der Ersten erkannt.
salamiNEWS: Und jetzt ist er Finanzdirektor eines der größten Medienunternehmen Österreichs. Wie man hört, hat sich die ÖVP für ihn ganz schön ins Zeug legen müssen. Ist er als Chief Financial Officer eines angeschlagenen Medienriesen „objektiv betrachtet“ auch so talentiert?
Strasser: Ja klar. Der Grasl ist ein Spitzenmanager. Ich habe das als einer der Ersten erkannt und freu mich, dass die SPÖ das letztlich auch eingesehen hat.
salamiNEWS: Herr Abgeordneter, aus e-Mails geht hervor, dass Sie immer wieder bei Herrn Grasl interveniert hätten, wenn Sie Ihrer Ansicht nach nicht mit genug Sendezeit anlässlich Ihrer Auftritte in Niederösterreich bedacht wurden. Der damalige Chefredakteur schreibt Ihnen recht unterwürfig zurück, was Sie alles übersehen hätten und berichtet darüber hinaus freiwillig, wenn Sie in Beiträgen besonders gut ins Bild gesetzt wurden. Das kann man doch nicht unabhängigen Journalismus nennen?
Strasser: Oja, kann man. Glauben Sie, Sie sind so viel unabhängiger, wenn Sie mir hier so untergriffige Fragen stellen. Sie sind doch eindeutig gesteuert, womöglich sogar von einer ausländischen Macht. Der Herr Grasl ist da schon viel zuverlässiger – und außerdem hat er einfach gute Manieren. Und ein bisserl Dankbarkeit dürfe man schließlich auch verlangen.
salamiNEWS: Aber wenn Sie jemandem zu einem einflussreichen Job verhelfen und dann eine Gegenleistung verlangen, die mit dem Missbrauch dieses Jobs im Zusammenhang stehen, dann könnte man das doch auch Korruption nennen: rechtswidrige Leistung gegen rechtswidrige Leistung? Zumindest gibt es ausländische Mächte, wo man das so sehen würde.
Strasser: Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt! Ich bin nicht extrem korrupt. Es ist eben beides nicht rechtswidrig.
salamiNEWS: Aber ethisch nicht ganz korrekt – oder?
Strasser: Hören Sie mir auf mit der Ethik. Ich bin wichtig und erkläre das den Journalisten. Und es gibt eben auch unter den Journalisten welche, die schneller begreifen, als andere. Eine Hand wäscht die andere oder wie ich es gerne ausdrücke: Einer sitzt im Hintern vom anderen (lacht). Das ist überall so. Ethik ist etwas für Soziopathen – oder so ähnlich.
salamiNEWS: Also Sie haben kein schlechtes Gewissen?
Strasser: Ach woher! Kennen Sie übrigens Ihren neuen Chefredakteur schon? Ein lieber Kartellbruder von mir. Jetzt steig ma a bissl runter vom Gas und trinken a Achterl miteinander (lächelt versöhnlich). Und des Interview schickens meiner Sekretärin zum Korrekturlesen – wegen der Grammatik.
salamiNEWS: Herr Abgeordneter, vielen Dank für das Gespräch und den Grünen Veltliner.
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Originally posted 2010-02-21 21:08:01.